Donnerstag, 23. August 2018

Gewitter im Kopf

Ja, so umschreibt man das, was in Allies Kopf geschieht mitunter lapidar.

Irgendwie passt es, irgendwie aber auch nicht, denn an sich wären Blitze der Normalzustand, Dauerfeuer ist eher der Zustand, der einen epileptischen Anfall auslöst.

Aber von vorn.

Vor einiger Zeit hatte Allie einen Anfall im Schlaf - da war sie mit Herrchen alleine, was er mir beschrieb, machte mich wuschig.
Aber ich lernte: ein Anfall ist kein Anfall!

So las ich ein bisschen und vergaß es irgendwann, denn sie war danach vollkommen normal!


Ein halbes Jahr verging ohne weitere Vorkommnisse. Dann hatte sie den Anfall in meiner Gegenwart, wieder im Schlaf! Ich begann, ein Tagebuch zu führen. Alles aufzuschreiben, was an dem Tag war und wie der Anfall aussah.

Es vergingen fast 3 Monate ohne, dass etwas geschah - dann wieder ein Anfall...
Es kristallisierte sich ein Verdacht aber dazu mehr...

Es vergingen 6,5 Monate, in denen nichts war und dann kam ein neuer Anfall - mein Verdacht verhärtete sich aufgrund der Eintragungen im Anfallstagebuch.

Wir sind nun beinahe in der Gegenwart und dann passierte es, Allie hatte eines Morgens 2 Anfälle binnen 3 Stunden. Das war der Punkt, an dem wir den Hund einpackten und zum Tierarzt fuhren. Zu dem Zeitpunkt war sie wieder vollkommen normal aber die Angst war nun vollends entfesselt und wir wollten einen Arzt draufschauen lassen.

Sie wurde untersucht und es wurde Blut abgenommen, da es eine große Praxis mit einigen Spezialisten ist, bekamen wir einen Termin für die nächste Woche beim Neurologen, der wöchentlich dort praktiziert.

Dieser sah sich Tagebuch und Video an (auch das hatte ich gelernt, zusätzlich zum Tagebuch ist ein Video wahnsinnig hilfreich für den Arzt), untersuchte Allie dann von Kopf bis Fuß und checkte alles neurologisch Relevante ab - alles normal, im Fachjargon: ohne Befund. Übrigens sah das Blutbild ebenso aus. Alles normal, auch die Schilddrüse.
Wir hatten ein sehr langes Gespräch mit sehr viel Input, das musste verdaut werden. Medikamente wurden kurz angesprochen aber noch nicht verordnet.

Einige Zusatztests wurden vorgeschlagen, wir sollten das miteinander besprechen und überlegen, was wir in Betracht ziehen.

5 Wochen vergingen bis der nächste Anfall kam und wieder verstärkte sich mein Verdacht für den Auslöser. Der Entschluss stand: Auslöser konsequent meiden und sehen, was passiert.

Im Verdacht steht übrigens: Nahrung - Nahrung, die Gluten oder Glutamat, bzw Geschmacksverstärker, künstliche Aromen oder ähnliches enthält.

Das klappte gut bis Allie eines Tages draußen etwas fraß - ich hatte nicht aufgepasst und konnte leider nicht sehen, was es war - es muss aber schon etwas mehr gewesen sein (hier liegt oft Pizza und ähnliches rum, da es einen Lieferdienst in der Nähe gibt). Ich hatte das bereits wieder vergessen als es abends wieder zu einem Anfall kam.

Diesmal lagen wieder nur 2 Wochen zwischen den Anfällen, nun gehen wir also in die nächste Phase über und müssen über Antiepileptika sprechen - bzw. ernsthaft nachdenken!

Es ist eine verdammte Zwickmühle! Es gibt drei Wirkstoffe für Hunde, die in Frage kommen und es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera!

Zwei der Wirkstoffe sind wahre Hammer für den Körper, die Nebenwirkungen nicht von schlechten Eltern und der Einfluss auf den Alltag ziemlich groß. Der dritte und neueste Wirkstoff beeinflusst den Körper weniger stark, führte bei einigen Hunden aber sogar zu einer Verschlechterung, so dass dann doch auf die anderen beiden zurückgegriffen werden musste. Leider ist es auch so, dass man, wenn man die beiden "wirksameren" verwendet, nie wieder davon wegkommt, denn ein Absetzen könnte zu Entzugskrämpfen führen...

Die Entscheidung fällt wirklich mehr als leicht und bevor wir nun wirklich zu einem der Medikamente greifen, denken wir noch über den einen oder anderen Test nach, um wirklich alles ausschließen zu können.

Durch Parasiten übertragbare Krankheiten z.B. oder aber ob das Problem metabolischer Natur ist - ggfs. sogar ein Herzultraschall (obwohl es definitiv KEINE Synkopen sind, die Allie hat). Wir werden das mit unserer Haustierarztpraxis näher besprechen und sehen, was sie sagen...
Zwar war der Neurologe wirklich sehr kompetent, nahm sich unwahrscheinlich viel Zeit und hat auf wirklich jede Frage adäquat geantwortet, er ist aber eben auch nur mit dem Auto erreichbar und ich möchte die Betreuung lieber vor Ort haben (ggfs. in Zusammenarbeit mit DEM Experten in Deutschland, der dann telefnisch ins Boot geholt wird).
Zur Praxis hier kann ich in unter 5 Minuten laufen, das ist ein großer Unterschied zu 30 Minuten mit dem Auto...

Tja, das ist der Stand der Dinge - aus sachlicher Sicht.

Aus emotionaler Sicht kann ich Euch sagen - es ist die Hölle!
Kein Tag vergeht ohne Recherche, keine Nacht ohne Angst vor dem nächsten Anfall, jedes Zucken (und das macht Allie schon immer ausufernd im Schlaf) versetzt einen kurzzeitig in Panik!
Mittlerweile versuche ich, das Ganze etwas relaxter zu sehen (netter Gedanke ;-) ), Allies Anfälle sind glücklicherweise eher kurz, unter 1 Minute, und sie ist danach ziemlich fix wieder normal, sie geschehen nur aus dem Schlaf heraus, was das Verletzungsrisiko schon mal beträchtlich senkt, aber trotzdem ist jeder davon ein Stich ins Herz!
Man sitzt daneben und zählt die Sekunden und hofft, sie kommt alleine raus - das sind nämlich die Schreckgespenster für Epilepsie-Fell-Besitzer: die Worte Cluster (mehr als 1 Anfall in 24 Stunden) oder Status epilepcticus (ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert), beides ist ein akuter Notfall und muss intensivmedizinisch behandelt werden.

Auch aus diesem Grund will ich hier zum TA, damit wir wenigstens ein Notfallmedikament da haben, um gegen etwas in der Art angehen zu können.

Eventuell werde ich auch noch einen THP mit ins Boot holen - man kann definitiv unterstützen, nicht heilen aber alles, was hilft, darf auch helfen!
Und ja, trotz meiner Ausbildung(en) würde ich das jemand anderem überlassen, denn obwohl ich genau weiß, was ich, hätte ich einen Kundenhund mit Epi, tun und empfehlen würde, ist das beim eigenen Tier alles andere als einfach und ich denke, eine neutrale Sicht kann in dem Punkt nie schaden!

Die sozialen Medien sind hier übrigens Fluch und Segen zugleich! Zwar kann man sich hervorragend austauschen zum Thema, hat Menschen mit den gleichen Ängsten und Problemen, die einem wieder auf die Beine helfen und Mut machen, sieht aber eben auch die ganz harten Fälle und bekommt mit, wie Hundeleben "zerbrechen" oder ähnliches...

Eins weiß ich aber mittlerweile: die "Hexe" (wie sie mitunter auch genannt wird) kann uns mal!
Wir schaffen das und lassen uns davon nicht stärker beeinflussen als unbedingt nötig!